Samstag, 19. Januar 2013

Janz köstlich amüsiert

Im Berliner Raum gibt es den Ausdruck "sich wie Bolle freuen" und "ne Bolle", Kinder ziehen einen "Bollerwagen" hinter sich her, im Schwarzwald war der "Bollenhut" mal der letzte Schrei. Was hat es mit diesem bizarren Wortstamm "Bolle" auf sich?

Der Bollerwagen war früher das bevorzugte Transportmittel für jede Art von Ladung. Bild: Wiki Commons

Als man Fotos noch von Hand kolorierte, trug man im Schwarzwald Bollenhüte. Bild: Wiki Commons


"Bolle" heißen runde, knollenartige Dinge (man denke auch an andere runde Dinge wie Rolle, Pollen, Wolle). In Berlin kann man zur Zwiebel "Bolle" sagen, im Schwarzwald sind es die roten oder schwarzen "Bollen", die dem Bollenhut seinen Namen geben. Woher in dem bekannten Berliner Volkslied "Bolle reiste jüngst zu Pfingsten" der Name des Protagonisten kommt, ist ungewiss. Zu Recht vermuten kann man aber, dass daher der umgangssprachliche Ausdruck "er/sie freut sich wie Bolle" stammt. Zur Veranschaulichung die erste der sieben Strophen des Lieds, mit dezentem Berliner Dialekt:



Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,
Nach Pankow war sein Ziel;
Da verlor er seinen Jüngsten
Janz plötzlich im Jewühl;
’Ne volle halbe Stunde
Hat er nach ihm jespürt.
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.

(Der janze Text kann bei Wikipedia uffjespürt werden.)


Das Wort "Bollerwagen" kommt auch aus dieser Richtung: Wenn etwas bollert, dann rollt es mit polterndem Geräusch, so weiß es der Duden. Der Bollerwagen ist ein kleiner Wagen, der von Hand gezogen wird und einfache Räder aus Holz oder Metall hat, die die Fahrt für die Fracht recht ungemütlich machen.

Übrigens: Nur die Berliner freuen sich wie Bolle, im Rest Deutschlands dagegen freut man sich wie ein Schneekönig.

Print Friendly and PDF
sich wie Bolle freuen: (reg.) sich sehr freuen; (to be very happy)

Bolle, die: (berlin.) Zwiebel; (onion)

Bollerwagen, der: (berlin.) Leiterwagen; (hand cart)

Bollenhut, der: (reg.) Hut mit Bommeln drauf; (hat with bobbles)

kolorieren: ausmalen, farbig machen; (to color)

knollenartig: wie eine Knolle (runde Wurzel); (potato-shaped)

Pollen, der: löst im Frühjahr Allergien (Heuschnupfen) aus; (pollen)

Protagonist, der: Hauptperson; (protagonist)

zu Recht: mit gutem Grund; (with good cause)

dezent: sehr leicht; (slight)
_______

jüngst: vor kurzem; (recently)

Pfingsten: christliches Fest 50 Tage nach Ostern; (Pentecost)

Pankow: Stadtteil in Berlin, früher Vorort von Berlin;

Jüngster, der: der jüngste Sohn; (youngest)

janz: (berlin.) ganz;

Jewühl, das: (berlin.) Gewühl, Menschenmenge; (crowd)

'ne: (ugs.) eine;

jespürt: (berlin.) gesucht; (searched for)

sich köstlich amüsieren: eine Menge Spaß haben; (to have a jolly good time)

uffjespürt: (berlin.) aufgespürt; (found)
_______

polternd: laute Geräusche machend (→Polterabend); (rumbling)

Fracht, die: Ladung, Transportgut; (load)

recht: ziemlich; (quite)

sich freuen wie ein Schneekönig: sich sehr freuen; (to be as merry as a lark)