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Mittwoch, 25. April 2012

Auf den Baum geklettert

Kao-Tai, so der Name des gestern angesprochenen Chinesen, überquert eine Straße:








"Nichtsahnend schickte ich mich an, diese Allee zu überqueren, als sich ein unvorstellbares Heulen, Knirschen und Rattern näherte [...]. Gleichzeitig raste mit der Geschwindigkeit eines Blitzes ein großes Tier - oder ein feuriger Dämon, schoß es mir durch den Sinn - auf mich zu [...].

Ich hatte die Straße schon zur Hälfte überquert, als mich [...] das schnaubende Tier erblickte. Alles spielte sich in Bruchteilen von Augenblicken ab. Ich erkannte, daß der Dämon es nicht auf mich abgesehen hatte. Er gab vielmehr einen - wenn möglich - noch gräßlicheren Heulton von sich und versuchte auszuweichen.

Wie ein in höchster Wut rasendes Wildschwein aber konnte das Tier (größer als zehn Wildschweine) seine Richtung nicht so schnell ändern. Noch immer heulend, dann einen Knall ausstoßend [...], sprang der Dämon, schien es mir, auf einen Baum hinauf. [...]

Alles stand um den Baum herum, auf den der schnelle Dämon "Zehn Wildschweine" hinaufgeklettert war. Nein: er war nicht hinaufgeklettert, sah ich, als ich mich ein wenig erhob, er hatte sich am Stamm festgebissen.
[...] ich bin seitdem mehrmals an der Stelle vorbeigekommen. Der Baum, fürchte ich, wird eingehen."




Übrigens noch eine Anmerkung bzgl. der Rechtschreibung: Da das Buch aus der Zeit vor der Rechtschreibreform stammt, ist es durchgängig in alter Rechtschreibung verfasst. Das zeigt sich bspw. bei der Verwendung von "ß" und "ss". Im obigen Text müsste es also korrekterweise lauten: "schoss", "grässlicheren".

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etwas ansprechen: etwas erwähnen, kurz von etwas reden; (to bring stg. up)

überqueren: von einer Seite auf die andere wechseln; (to cross)

(auf etwas (Akk.)) klettern: nach oben gehen; (to climb)

nichtsahnend (oder: nichts ahnend): ohne auch nur eine Vorstellung davon zu haben, was passieren könnte; (unsuspecting)

sich anschicken zu: anfangen/im Begriff sein, etwas zu tun; (to be about to do stg.)

Allee, die: Straße mit Bäumen auf den Seiten; (alley)

Heulen, Knirschen und Rattern: verschiedene laute Geräusche; (howling, scrunching, rattling)

rasen: sehr schnell laufen oder fahren; (to rush)

schnauben: stark ausatmen; (to snuffle)

erblicken: plötzlich sehen; (to catch sight)

in Bruchteilen von Augenblicken: sehr schnell, sehr kurze Zeiteinheit; (in splits of seconds)

es auf jmdn. abgesehen haben: jemanden im Visier haben, mit jemandem etwas (Böses) vorhaben; (to have an eye on)

grässlich: hässlich und schrecklich; (dreadful, horrible)

ausweichen: etwas, das im Weg steht, umfahren oder umgehen; (to dodge)

Knall, der:lautes Geräusch; (bang)

ausstoßen: emittieren; (eject)

alles: hier alle (Menschen); (everything/everyone)

sich erheben: sich aufrichten, etwas höher gehen (aus dem Sitzen oder Liegen); (to rise)

sich festbeißen: in etwas reinbeißen (mit den Zähnen) und nicht mehr loslassen; (to bite hard into stg.)

fürchten: etwas Schlimmes annehmen; (to be afraid)

eingehen: Pflanze sterben; (to die)

Rechtschreibung, die: wie man richtig schreibt; (orthograph)

Reform, die: eine völlige Veränderung (von Gesetzen und Regelungen); (reform)

Dienstag, 24. April 2012

Shai-we-ta*

Kürzlich las ich ein Buch, das mir ein Freund ausgeliehen hat (Er wird sich freuen, dass ich es ausgelesen habe.).
Es heißt "Briefe in die chinesische Vergangenheit" von Herbert Rosendorfer, aus dem Jahr 1983 (lt. Wikipedia).


Trotzdem es für unsere Verhältnisse so "alt" ist, hat es meiner Meinung nach nichts von seiner Aktualität eingebüßt. Im Großen und Ganzen ist es eine harte Gesellschaftskritik, stellenweise aber mit viel Humor. Mit einigen der humorvollen Seiten kann ich euch hoffentlich - passend zum heutigen (Münchner) Wetter - erfreuen.


Vorab: Es geht um einen Chinesen aus der Zeit um 1883 (Altes China), der tausend Jahre in die Zukunft reist und - aus Versehen - in München ankommt.
Er beobachtet diese unbekannte Welt, vergleicht sie mit seinem System und schreibt all das in die Briefe, die er an seinen Freund ins Alte China zurückschickt.

Die Wörter, die er nicht kennt oder übersetzen kann, überträgt er, so gut es geht, in die chinesische Silbensprache (z.B. "Shai we ta").




"Herr Shi-shmi und ich standen heute früh am Fenster und schauten hinaus. Herr Shi-shmi ist ganz trübsinnig. Er sagte: "Shai-we-ta", was offenbar soviel wie "langandauernder Regen" bedeutet."



Da die Einleitung schon sehr umfangreich war, gibt es morgen dazu mehr.

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*Scheißwetter, das: umgs. grauer, verregneter Tag; (rainy day)

jmdm. etw. ausleihen: jmdm. für eine Weile etw. geben, damit er es benutzen kann; (to borrow)

auslesen: hochspr. fertig lesen, zu Ende lesen; (to read out)

trotzdem: wird hier wie "obwohl" gebraucht und auf der zweiten Silbe betont; (even though)

für unsere Verhältnisse: für das, was wir gewohnt sind; (by our standards)

einbüßen: verlieren; (to lose)

im Großen und Ganzen: zusammenfassend gesagt; (in the main)

stellenweise: an einigen Stellen; (here and there)

vorab: bevor es losgeht, vorher gesagt; (in advance)

aus Versehen: ohne, dass er es geplant hat oder wollte; (by mistake)

übersetzen: von einer Sprache in eine andere übertragen; (to translate)

Silbe, die: das Wort "Silbe" hat zwei Silben, "Sil" und "be". (syllable)

trübsinnig: hochspr. deprimiert, unglücklich, traurig; (melancholic, sad)

offenbar: scheinbar, so wie es scheint; (apparently)

langandauernd: von langer Dauer; (long-lasting)

umfangreich: sehr viel; (extensive)