Sonntag, 27. Mai 2012

Das Pferdchen und der Fluss (Teil 4)






"Mein Kind", sagte die Mutter zu ihrem Fohlen, "du solltest nicht die Ratschläge anderer befolgen, ohne vorher deinen eigenen Kopf zu benutzen. Du kannst doch von alleine darauf kommen: Das Rind ist groß und natürlich meint es, der Fluss sei nicht tief; das Eichhörnchen hingegen ist so klein, dass es selbst in einer Pfütze ertrinken könnte, und deshalb denkt es, der Fluss sei sehr tief."

Nachdem es die Worte seiner Mutter angehört hatte, galoppierte das Fohlen selbstsicher zum Fluss.

Als das Eichhörnchen das Fohlen sah, das schon mit den Hufen im Wasser war, rief es: "Also hast du beschlossen, zu ertrinken?". Das Fohlen antwortete ihm: "Ich werde versuchen, den Fluss zu durchqueren."

So fand das Pferdchen heraus, dass das Wasser des Flusses weder seicht war, wie das Rind gesagt hatte, noch sehr tief, wie es vom Eichhörnchen gewarnt wurde.



Übertragen wir das Bild dieser chinesischen Fabel (小马过河) auf das Sprachenlernen, müssen wir den Fluss gar nicht überqueren. Wir nehmen uns einfach ein Floß, legen uns auf den Fluss und lassen uns treiben. Mal geht es schneller voran, mal langsamer – aber wir müssen uns nicht anstrengen, um vorwärts zu kommen.


Übersetzung: Andrea Schwabe
ausgehend von dem Buch: "Il cavallino e il fiume" – CARTUSIA Edizioni, Milano – 2004


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meinen: annehmen, denken, glauben; (to believe)

Pfütze, die: kleine Menge von Wasser am Boden, z.B. nach dem Regen; (puddle)

ertrinken: im Wasser sterben; (to drown)

selbstsicher: selbstbewusst, überzeugt von sich selbst; (self-confidently)

Huf, der: der Fuß (Fußsohle) des Pferdes; (hoof)

beschließen: einen Entschluss fassen; (to decide)

durchqueren: sich durch etwas hindurch bewegen; (to cross)

seicht: nicht tief, flach; (shoal)

Floß, das: ein flaches Boot, z.B. aus Baumstämmen;

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